Kurzarbeit, verstärkte Schutzmassnahmen oder Quarantäneregeln für die Angestellten – in den letzten Monaten mussten viele Praxisinhaber ihrem Team unangenehme Nachrichten überbringen. Wie spricht man als Vorgesetzter schwierige Themen an? Wie kann der Chef Mitarbeitende unterstützen, die unter der Situation leiden? Und welche Chancen bietet die Krise für das Team? Wir haben bei Sandra Zurbuchen, Expertin für Personalberatung, nachgefragt.

Sandra Zurbuchen, worauf muss ein Vorgesetzter achten, wenn er dem Team einschneidende Veränderungen wie Kurzarbeit oder verstärkte Schutzmassnahmen kommuniziert?

Ich rate dem Chef oder der Chefin, die Massnahmen sachlich zu erklären und mit Zahlen und Fakten zu begründen. Falls möglich erwähnt er oder sie auch den eigenen Beitrag zum langfristigen Überleben der Praxis, z. B. finanzielle Einbussen aufgrund des Umsatzrückgangs. Das fördert die Akzeptanz aufseiten der Angestellten. Bei der Ankündigung von zusätzlichen Schutzmassnahmen sollte der Vorgesetzte erwähnen, dass diese nicht nur die Patienten schützen, sondern auch die Mitarbeitenden selbst. Am besten wählt man übrigens gemeinsam die Masken aus, die alle den ganzen Tag tragen werden.

Demnach ist es sinnvoll, das Team von Anfang an einzubeziehen?

Ja, unbedingt. Solche Entscheidungen sollten nicht «top down» verordnet werden. Übrigens wissen viele Arbeitgeber nicht, dass die Mitarbeitenden für Kurzarbeit ihre Einwilligung geben müssen. Leider passiert es ab und zu, dass Arbeitnehmer trotz Kurzarbeit im normalen Pensum weiterarbeiten. Das darf nicht passieren. Wenn zu viel Arbeit anfällt, muss der Arbeitgeber das Einverständnis seiner Mitarbeitenden für die Überzeit einholen – und er sollte sich dann auch grosszügig zeigen.

Gerade Kurzarbeit ist ein heikles Thema. Im Rahmen einer Teambesprechung wagt man sich vielleicht nicht, offen über den Lohn oder über finanzielle Schwierigkeiten zu sprechen.

Deshalb sollte die Praxisleitung am Schluss der gemeinsamen Sitzung Einzelgespräche anbieten. Kurzarbeit kann für Personen mit einem engen Budget ein grosses Problem sein. In diesen Fällen kann man gemeinsam andere Lösungen suchen, zum Beispiel ein zinsfreies Darlehen.

Die Coronakrise ist auch für Praxisinhaber eine belastende Zeit. Soll der Chef den Mitarbeitenden seine eigenen Emotionen zeigen?

Ja, wir alle haben Emotionen, die wir zeigen dürfen. Aber man soll sich dabei auch wohlfühlen. Ein introvertierter Mensch muss nichts vorspielen, sondern kommuniziert besser seinem Charakter entsprechend sachlich und faktenorientiert. Hilfreich ist es, wenn der oder die Vorgesetzte eine gewisse Zuversicht vermittelt, zum Beispiel dass die Massnahmen zeitlich beschränkt sind.

Wie reagiert man, wenn Mitarbeitende Einwände gegen neue Regeln vorbringen?

Der Zahnarzt oder die Zahnärztin soll die Argumente wohlwollend – oder zumindest neutral – entgegennehmen. Man sagt beispielsweise: «Ich kann den Einwand nachvollziehen, teile deine Ansicht aber nicht.» Oder man verspricht, in Ruhe darüber nachzudenken und antwortet später. Bei destruktiven Einwänden sucht die vorgesetzte Person am besten ein Gespräch unter vier Augen. Zum Beispiel so: «Ich habe den Eindruck, dass du verärgert bist. Wollen wir das besprechen?» Auf keinen Fall soll man die Sorgen der Mitarbeitenden abwerten im Sinn von: «Dass das nicht stimmt, weiss doch nun wirklich jeder.»

Was wünschen sich Angestellte vom Chef während so einer Krise?

Dass er oder sie Sicherheit und Zuversicht ausstrahlt; dass er weiss, was jetzt wichtig ist; und dass sie die Mitarbeitenden ernst nimmt und ihnen zuhört.

Bieten Coronakrise und Lockdown auch Chancen zur Teamentwicklung?

Absolut. In einer solch herausfordernden Zeit leisten alle Mitarbeitenden gleichermassen einen wertvollen Beitrag für das Unternehmen. Dadurch kann sich eine neue Art von Dialog entwickeln – miteinander statt nebeneinander. Aber seien wir realistisch: Ist diese Gesprächskultur nicht bereits ansatzweise in der Praxis vorhanden, ist eine Neuausrichtung schwierig. Sie ist aber nicht unmöglich.

Während der Pandemie war Homeoffice ein grosses Thema, unter anderem an den Universitäten. Wie kann man sicherstellen, dass die Kommunikation im Team trotz der räumlichen Entfernung klappt?

Das ist mit den heutigen technischen Hilfsmitteln kein Problem. Der Arbeitgeber muss aber sicherstellen, dass die benötigte Infrastruktur im Homeoffice vorhanden ist. Falls nicht, muss sich der Betrieb finanziell oder technisch daran beteiligen. Auch die räumlichen Voraussetzungen in der Wohnung muss man anschauen. Hat ein Mitarbeitender keinen ruhigen Arbeitsplatz, dann ist das für die ganze Familie nicht ideal. In so einem Fall würde ich als Vorgesetzte überlegen, ob die Mitarbeiterin nicht doch besser im Büro arbeitet und man halt die Bürosituation anpasst.

Ist es Ihrer Erfahrung nach ein grosser Unterschied, ob man sich persönlich zu einer Sitzung trifft oder nur am Bildschirm?

Es ist ein grosser Unterschied, aber auch eine Frage der Gewohnheit. Für Mitarbeitende, die keine Erfahrung mit Videokonferenzen haben, die vielleicht nicht sehr selbstbewusst sind, kann das eine Herausforderung sein. Allerdings sind wir Menschen anpassungsfähig und gewöhnen uns an die neue Art der Kommunikation.

Gemäss Studien litt das Gesundheitspersonal zeitweise sehr unter der Belastung der Covid-Pandemie. Nicht nur wegen Überstunden und langer Arbeitstage, sondern auch unter der Angst vor einer Ansteckung. Wie unterstützt eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt das Praxisteam in dieser Situation am besten?

Mit offener Kommunikation und einem offenen Ohr. Man kann am Abend oder morgens, bevor die Patienten eintreffen, im Team zusammensitzen, einen Kaffee trinken und auf Augenhöhe miteinander reden. Wichtig ist, dass klare Regeln kommuniziert und durchgesetzt werden – bei Mitarbeitenden und Patientinnen. Es kann auch hilfreich sein, die Mitarbeitenden auf seriöse Informationsquellen hinzuweisen, zum Beispiel auf das Bundesamt für Gesundheit oder das Kantonsarztamt. In einem persönlichen Gespräch kann man ebenfalls Ängste auffangen. Bei konkreten Problemen empfehle ich, individuelle Lösungen zu suchen; beispielsweise für Mitarbeitende, die zu Hause ältere Personen betreuen.

Welches sind Alarmzeichen, die auf eine sich entwickelnde Depression oder ein Burn-out hinweisen?

Es gibt Anzeichen, die aber sehr unterschiedlich sein können. Ein Hinweis ist es, wenn Vorgesetzte im Wesen eines Mitarbeiters eine Veränderung wahrnehmen, die sich nicht verorten lässt. Oder wenn jemand von Schlafproblemen erzählt, müde oder unkonzentriert wirkt. Auch häufige, kurzfristige Krankheitsabwesenheiten können auf ein psychisches Problem hindeuten. Allerdings ist vielen Betroffenen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, wie schlecht es ihnen geht. Deshalb ist es sinnvoll, allen Mitarbeitenden Adressen von Beratungsstellen oder von Anbietern von Coachings zu empfehlen und auch über eine mögliche Kostenbeteiligung des Arbeitgebers zu sprechen – und zwar bevor jemand krank wird. So verhindern wir eine Stigmatisierung. Vielleicht kann man sich mit anderen Praxisinhabern zusammentun und ein Coaching für alle Mitarbeitenden organisieren.

Soll der Vorgesetzte es ansprechen, wenn er solche Anzeichen bemerkt?

Ja, ein Gesprächsangebot ist immer gut. Aber viele Mitarbeitende haben Hemmungen, mit dem Chef über ein psychisches Problem zu sprechen. Man kann deshalb den Betroffenen empfehlen, sich an den Hausarzt zu wenden. Psychische Erkrankungen sind leider immer noch schambesetzt, die Betroffenen fühlen sich stigmatisiert. An einer Grippe zu erkranken, ist legitim, aber ein Burn-out – was ja nichts anderes als eine Erschöpfungsdepression ist – wird als eigenes Versagen gedeutet. Bei der Fachstelle UND haben wir die Erfahrung gemacht, dass es einfacher ist, auf neutralem Boden mit einer aussenstehenden Person eine Strategie für das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu erarbeiten. Das entlastet beide Seiten.

Was kann der Arbeitgeber präventiv tun?

Eine offene und wohlwollende Kultur im Team pflegen, das ist das A und O. Zum Beispiel einmal in der Woche eine gemeinsame Kaffeepause machen. Der Chef oder die Chefin kann auch mal bei Kollegen nachfragen, wie sie solche Dinge im Praxisteam handhaben. Wichtig ist, sich Unterstützung zu holen, bevor man sich überfordert fühlt.

Die Fachstelle UND ist ein Kompetenzzentrum zur Förderung der Vereinbarkeit und Gleichstellung in Betrieben. Angeboten werden Beratungen und Coachings für Unternehmer, Führungspersonen sowie Angestellte. Sandra Zurbuchen ist stellvertretende Geschäftsleiterin der Fachstelle UND, eidg. dipl. Personalfachfrau und Organisationsberaterin ief. www.fachstelle-und.ch