Die Schweiz gibt viel Geld für das Gesundheitssystem aus. Dagegen machen die Ausgaben für Prävention einen Bruchteil der Gesundheitsausgaben aus. 2019 gab die Schweiz schätzungsweise 1,8 Milliarden Franken für Gesundheitsförderung und Prävention aus, was nur etwa 2,7 Prozent der Gesamtkosten des Gesundheitswesens entspricht. Dies ist weniger als in vielen anderen Ländern. Der Grund für diese Randposition der Prävention: Sie ist gesetzlich nur schwach verankert. Die nationale Gesundheitspolitik kümmert sich vor allem um die Finanzierung der Therapie von Krankheiten und zeigt wenig Interesse an der Förderung von Gesundheit und vorbeugenden Massnahmen.

Kein nationales Präventionsgesetz

Es gab zwar Bemühungen, Prävention gesetzlich zu verankern. Diese fanden auf nationaler Ebene aber wenig Unterstützung. Ein Beispiel dafür ist der Kampf um ein nationales Präventionsgesetz. Es wurde im parlamentarischen Prozess bereits erheblich abgeschwächt – und scheiterte trotzdem auch in dieser Fassung im September 2012 im Ständerat. Damit verblieben die Planung und Gestaltung präventiver Massnahmen in erster Linie in den Händen der Kantone und Gemeinden – mit unterschiedlichem Engagement. So investierte der Kanton Basel-Stadt im Jahr 2019 9,6 Prozent seiner Gesundheitsausgaben in gesundheitsfördernde Massnahmen oder Präventionsprogramme. Der Kanton Appenzell Innerrhoden war deutlich zurückhaltender. Mit einem Anteil von 1,5 Prozent gab er von allen Kantonen am wenigsten Geld für die Prävention aus.

Nationale Programme und Akteure

Eine wichtige Rolle spielt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Sie wird von Kantonen und Versicherern getragen und durch die Krankenkassenprämien finanziert. Zu den Aufgaben der Stiftung gehört es, Massnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention zu initiieren, zu koordinieren und zu evaluieren. Weiter arbeitet die Stiftung daran, die Kantone, die Wirtschaft und die Gesundheitsakteure besser zu vernetzen und ihre Beteiligung an der Prävention zu erhöhen. Die Stiftung fördert auch präventive Massnahmen in bestehenden Versorgungsketten.

Die Nationale Strategie gegen nicht übertragbare Krankheiten (NCD) ist eine löbliche Ausnahme von der zurückhaltenden Präsenz des Staates in Sachen Prävention. Sie zielt darauf ab, die Kosten für nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf- Erkrankungen zu reduzieren. Dazu setzt die NCD-Strategie auf Verhaltensänderungen, da ein ungesunder Lebensstil oft zu solchen Krankheiten führt. Sie dauert von 2017 bis 2024.

Sonderfall Zahnmedizin

Der politische Wille, Prävention staatlich zu fördern, ist noch immer nicht mehrheitsfähig. Dies hindert aber gesellschaftliche Akteure nicht daran, einige Initiativen zu lancieren. Eine der erfolgreichsten helvetischen Präventionskampagnen der letzten Jahrzehnte wurde nämlich gar nicht in Bundesbern beschlossen, sondern von der Schweizer Zahnärzteschaft. Die erfolgreiche Kariesprophylaxe ist das Resultat umfassender Aktionen, die von Schweizer Zahnärztinnen und Zahnärzten initiiert, optimiert und von Kantonen und Gemeinden umgesetzt wurden. Dazu zählt allen voran die Schulzahnpflege. Aber die Zahnärzteschaft hat auch erfolgreiche Fluoridkampagnen sowie Informationskampagnen über gesunde Ernährung ins Leben gerufen.

Prophylaxe und Prävention sind seit Langem Eckpfeiler des zahnmedizinischen Versorgungsmodells. Und das Modell setzt auf Eigenverantwortung. Karies und Zahnverlust sind – mit wenigen definierten Ausnahmen – vermeidbar. Die Solidargemeinschaft soll für vermeidbare Erkrankungen nicht mitbezahlen. So bezahlt in den meisten Fällen nicht die Krankenkasse für Zahnschäden, sondern jede und jeder aus der eigenen Geldbörse. Zahnmedizin in der Schweiz wird so zum Sonderfall. Und sie taugt zum Vorbild für die restliche medizinische Versorgung. Denn präventive Leistungen werden von der obligatorischen Krankenversicherung bislang nur eingeschränkt übernommen. Der Tarif der SSO dagegen vergütet vorbeugende Behandlungen.

Unsichere Finanzierung

Auch ausserhalb der Zahnmedizin gibt es aber viele innovative Präventionsprogramme – trotz schwierigen Rahmenbedingungen. Ihre Finanzierung ist jedoch oft nicht nachhaltig, da die Prävention nicht im Gesetz festgeschrieben ist. Der sogenannte Experimentierartikel im KVG könnte helfen, Prävention als Test besser im Gesetz zu verankern und Erfahrungen für künftige politische Diskussionen zu sammeln.