«Peek» heisst auf Deutsch so viel wie «gucken» oder «blicken». Der Name ist Programm: Die Peek-Technologien sollen die Augengesundheit weltweit verbessern. «Peek» steht aber auch für «portable examination eye kit» – mobile Kits für die Augenuntersuchung. Diese bergen ein grosses Potenzial für die Augenmedizin und die Augengesundheit in abgelegenen und wirtschaftlich benachteiligten Regionen.
Der Besitz eines Mobiltelefons ist in manchen Weltregionen selbstverständlicher als der Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen, so zum Beispiel in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Die Entwicklerinnen und Entwickler der Peek-Technologien haben sich dies zunutze gemacht. Ihr Ziel: das lokale Gesundheitspersonal befähigen, überall Augenmedizin anzubieten – auch in abgelegenen und wirtschaftlich benachteiligten Gegenden. Ausgerüstet mit nichts Weiterem als einem Smartphone und allfälligem Zubehör.
Professionelle Augenuntersuchungen abseits von einem Spital
Die Peek-Sehtest-App erlaubt es beispielsweise, direkt in der Schule die Sehstärke der Schulkinder zu testen. Benötigt ein Kind weitere Abklärungen oder eine Sehhilfe, sendet die App das Resultat automatisch an die nächste Augenklinik. So können Ärztinnen und Ärzte die nötigen Vorbereitungen treffen und nachhaken, sollte ein Kind nicht zur Untersuchung erscheinen. Auch die Eltern werden per SMS informiert. Dank der einfachen Darstellung der Resultate – die App simuliert die verschwommene Sicht des Kindes – können Eltern und Lehrpersonen die Augenprobleme der Kinder besser verstehen.
Eine weitere Peek-App und ein simpler Aufsatz für die Smartphone-Kamera ermöglichen die Aufnahme von Bildern der Netzhaut. Augenärztinnen und Augenärzte benötigen diese Bilder, um die Ursache einer Augenkrankheit zu bestimmen. Dank «Peek Retina» sind professionelle Augenuntersuchungen überall möglich.
Eine flächendeckende Gesundheitsversorgung ist auch das oberste Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Alle Menschen sollen zum richtigen Zeitpunkt in ihrer Nähe die Behandlung erhalten können, die sie benötigen. Die WHO hat zur Augengesundheit zwei Indikatoren definiert, welche die Reichweite der augenmedizinischen Versorgung abbilden. Für viele Staaten ist die regelmässige Datenerhebung jedoch eine Herausforderung. Die Peek-Technologien könnten hier eine wichtige Rolle spielen. Peek arbeitet bereits in verschiedenen Ländern in Afrika und in Asien sowie in Palästina mit Implementierungspartnern zusammen, weitere Länder und Regionen sollen dazukommen. Derweil werden Peek Retina sowie ein zweites eigenständiges Produkt, Peek Acuity, bereits in über 150 Ländern eingesetzt.
Mindestens 2,2 Milliarden Menschen weltweit sind gemäss der Weltgesundheitsorganisation von einer Sehschwäche oder von Blindheit betroffen. Fast die Hälfte dieser Augenleiden wäre vermeidbar gewesen oder könnte auf einfache und günstige Weise behandelt werden. Die grosse Mehrheit der Betroffenen lebt allerdings in Regionen, in denen Infrastruktur, ausgebildete Fachleute oder Medikamente fehlen. Viele dieser Menschen leben zudem von der Landwirtschaft und mit knappem Einkommen. Vermeidbare Blindheit ist für sie ein besonders harter Schicksalsschlag. Denn wer blind oder stark sehbehindert ist, kann nicht mehr auf dem Feld arbeiten, Wasser holen, kochen oder für die Kinder sorgen.
Chancen auf eine selbstbestimmte Zukunft
Im abgelegenen Dorf im Distrikt Dailekh in Nepal, wo die heute 45-jährige Lila Bishwakarma lebt, ist die Arbeit auf dem Feld und mit den Tieren die Haupteinnahmequelle. Als Lila Bishwakarmas Sehkraft so stark abgenommen hatte, dass sie ihren Mann nicht mehr bei der Arbeit unterstützen konnte, verliess er sie. Auch Bhote Rawal aus dem Distrikt Achham erblindete. So musste seine Frau sämtliche Arbeiten im Haus alleine erledigen und sich zudem um die zwei Büffel kümmern, mit deren Milch sich das Paar seinen Lebensunterhalt verdient. Die Sorgen um die ungewisse Zukunft und das schlimme Gefühl, seine Frau nicht unterstützen zu können, setzten dem 63-jährigen Bhote Rawal stark zu.
Auch Kinder sind von Sehschwächen und Blindheit betroffen – gerade in wirtschaftlich benachteiligten Regionen. Denn Blindheit wird auch durch Mangelernährung, zum Beispiel Vitamin-A-Mangel, verursacht. Die 15-jährige Bhabi Budha aus dem Distrikt Jajarkot bemerkte ihre Augenkrankheit anfangs gar nicht. Bald aber verschlechterte sich ihr Sehvermögen so stark, dass sie in der Schule die Wörter an der Tafel nicht mehr lesen konnte. Die Teilnahme am Schulunterricht war nicht mehr möglich. Fehlender Zugang zur Augenmedizin beraubt Kinder mit einfach heilbaren Augenkrankheiten ihrer Schulbildung und dadurch ihrer Chancen auf eine selbstbestimmte Zukunft.
Smartphone-Apps im Einsatz
Das Rote Kreuz engagiert sich in Nepal seit vielen Jahren gegen die Armutsblindheit. Es sensibilisiert, organisiert mobile Augenkliniken, um auch Menschen an abgelegenen Orten zu erreichen, und hat ein Augenspital finanziert und gebaut. Lila Bishwakarma, Bhote Rawal und die junge Bhabi Budha konnten dank dem Roten Kreuz untersucht und behandelt werden und können heute wieder sehen. Die Betroffenen zu erreichen, bleibt allerdings eine Herausforderung. Lila Bishwakarma zum Beispiel war schon seit langer Zeit blind und glaubte nicht, dass eine Behandlung möglich sei. Es kostete ihre Verwandten viel Überzeugungsarbeit, sie überhaupt zu einem Besuch einer mobilen Klinik zu bringen.
Um Menschen wie Lila Bishwakarma künftig noch einfacher und zuverlässiger zu erreichen, testet das Rote Kreuz in Nepal seit Kurzem Peek Retina. Kann die App erfolgreich eingesetzt werden, bleibt den Patientinnen und Patienten die Hürde des langen und beschwerlichen Wegs zum Spital erspart. Gleichzeitig dürfte Peek die Belastung der Spitäler verringern, die oft grosse Einzugsgebiete bedienen.
Lediglich 50 Franken pro Auge kostet die Operation des grauen Stars, der häufigsten Ursache für Blindheit. Im vergangenen Jahr haben Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ihre Patientinnen und Patienten die augenmedizinischen Programme des Schweizerischen Roten Kreuzes mit 25 Kilogramm gespendetem Altgold unterstützt. Wir hoffen, dass es uns dank Peek bald gelingt, im Rahmen dieser Programme noch mehr Menschen zu erreichen. Damit Erwachsene ein selbstbestimmtes Leben führen und Kinder mit klarem, neugierigem Blick zur Wandtafel schauen können.
Informationen zu Peek finden Sie unter: www.peekvision.org
Spenden können Sie unter: www.redcross.ch/zahngold