Diese Hiobsbotschaft hätten die Schülerinnen der Weiterbildungsschule für Prophylaxe- Assistentinnen SSO (PA) Dentaform in Yverdon lieber nicht erhalten: Die Hälfte ihrer Weiterbildung war bereits geschafft, als sie erfuhren, dass ihre Schule schliessen musste. Dabei hatten sie sich schon für die zweite Halbzeit des Unterrichts vorbereitet: Der bisherige Stoff war repetiert, die Abwesenheit in der Praxis organisiert. Bald hätten sie ihre Weiterbildung abschliessen können. Und jetzt das.

Insgesamt 24 Schülerinnen des laufenden Kurses und 11 Repetentinnen, die in den folgenden Wochen ihre Wiederholungsprüfung absolviert hätten, waren von der Schliessung der einzigen PA-Schule in der Romandie betroffen.

Es folgte eine grosse Ungewissheit – nicht nur bei den Schülerinnen, sondern auch bei den Praxen, die sich für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen eingesetzt hatten. Wird das bereits eingezahlte Schulgeld zurückerstattet? Wie geht es weiter mit dem Praktikum? Erhalte ich die versprochene Anstellung als PA, oder werde ich die Stelle als Dentalassistentin (DA) verlieren? Und wie soll die entstandene Lücke in der Praxis überbrückt werden, wenn die DA ihre PA-Ausbildung nicht wie geplant abschliessen kann?

Die Vorgeschichte

Die SSO war seit Längerem konfrontiert mit Reklamationen von SSO-Mitgliedern und kritischen Berichten von Schülerinnen über die Qualität der PA-Schule Dentaform. In den Monaten vor der Schliessung hatte die SSO-Kommission Weiterbildung Dentalassistentin (KWDA) alle erdenklichen Szenarien für die Weiterführung des Unterrichts durchgespielt und in langen und intensiven Gesprächen mit dem Direktorium versucht, die PA-Schule wieder in einen reglementskonformen Zustand zu bringen. Doch die Verantwortlichen waren nicht in der Lage, substanzielle Verbesserungen einzuführen. Nachdem die Schule den Minimalanforderungen des PA-Reglements nicht mehr genügte, mussten Konsequenzen gezogen werden: Die Kommissionsmitglieder der KWDA entschieden am 1. September 2022, Dentaform die Anerkennung als PA-Weiterbildungsschule zu entziehen.

Schwierige Suche nach einer Lösung

Für die elf Repetentinnen des letzten vollständigen Kurses wurde unter der Aufsicht der KWDA im Herbst 2022 eine Repetitionsprüfung organisiert, die bis auf zwei Kandidatinnen alle Repetentinnen bestanden.

Doch die Herkulesaufgabe bestand darin, eine Lösung für die gestrandeten Schülerinnen des laufenden Kurses zu finden, damit diese ihre angefangene Weiterbildung fortsetzen und abschliessen konnten. Es existierte keine zweite PA-Schule in der Romandie, und die verbleibenden PA-Schulen in der Deutschschweiz und im Tessin boten keine französischsprachigen Kurse an. So musste aus dem Stand eine Fortsetzung des Kurses organisiert werden.

Zu ihrem grossen Glück konnte die SSO auf die tatkräftige Unterstützung von Josef Gübeli, dem langjährigen PA-Verantwortlichen der KWDA, zählen. Gübeli hatte die PA-Weiterbildung von Beginn weg gepr.gt und war dabei, als 1988 der erste PA-Weiterbildungskurs der SSO eingeführt wurde. Eigentlich hatte er Anfang 2022 sein Mandat altershalber an seine Nachfolgerin übergeben, er machte aber für die KWDA noch eine Mutterschaftsvertretung. Dies war für alle ein Glücksfall – denn Gübeli erklärte sich bereit, die Fortsetzung des Kurses zu organisieren. In den folgenden 9 Monaten sollte er weit über 500 Stunden dafür aufwenden!

Unruhige Nächte und Zweifel

Zunächst galt es, bei den Schülerinnen den Stand der bereits erworbenen Kenntnisse zu eruieren. Dann mussten der theoretische Unterricht und die praktischen Kurse in Französisch aufgegleist werden. Gübeli machte sich auf die Suche nach Lehrpersonen und Instruktorinnen, die gut Französisch sprachen und bereit waren, zusätzliche Einsätze zu leisten. Weiter mussten Räume für die klinischen Kurse gefunden werden, und es galt, Lerninhalte und Prüfungen auf Französisch zu übersetzen. Mit anderen Worten: Ein fast kompletter PA-Weiterbildungskurs musste innert Wochen aus dem Boden gestampft werden! Es war ein beispielloser Prozess, zu dessen Beginn die Verantwortlichen unruhige Nächte durchlebten und die Zweifel am Gelingen dieses Unternehmens gross waren.

Das Rettungsprojekt nimmt Form an

Die Tour de Force gelang: Innert Kürze sagten über ein Dutzend Lehrpersonen und Instruktorinnen aus allen PA-Schulen der Schweiz zu, bei diesem Rettungsprojekt mitzumachen. Die noch fehlenden theoretischen Inhalte wurden den Schülerinnen an mehreren Abenden per Videokonferenz auf Französisch vermittelt. Für die klinischen Kurse stellte die Basler PA-Schule Ipso Räume zur Verfügung und offerierte sogar einen Teil der notwendigen Kurstage kostenlos. Auch die praktischen Kurse wurden in französischer Sprache durchgeführt. Dentaform wurde verpflichtet, zumindest das halbe Schulgeld zurückzuerstatten.

Zusammenhalt aller Beteiligten

Zwar mussten die Schülerinnen für die einzelnen Kurstage eine längere Reise aus der Romandie nach Basel in Kauf nehmen, aber sie waren dankbar, dass sie ihre Weiterbildung abschliessen konnten. Im Kurs erlebten wir motivierte PA-Anwärterinnen, die von der hohen Qualität des Unterrichts beeindruckt waren. Sowohl unter den Schülerinnen als auch unter den Instruktorinnen und Lehrpersonen entwickelte sich ein schöner Zusammenhalt. Es wurde viel diskutiert und verglichen. Ein so intensiver Austausch hatte zwischen den PA-Schulen bisher nicht stattgefunden. Das Gefühl, Teil dieses einzigartigen Projekts zu sein, stärkte den Zusammenhalt und die Motivation aller Beteiligten. Das war es, was letztlich zum Erfolg des Unternehmens geführt hat.

Die Schlussprüfungen vom 13./14. April 2023 bestanden alle bis auf eine Kandidatin. Zwei Kandidatinnen erzielten die Note 5,5 und wurden als beste ihres Jahrgangs ausgezeichnet. Für die Repetentin wurde am 23. Juni 2023 eine Wiederholungsprüfung organisiert – dieses Mal mit Erfolg. Und so waren an der Diplomübergabe in Basel lauter glückliche Gesichter zu sehen und auch einige Freudentränen – nicht nur bei den Schülerinnen. Die SSO wollte von den Schülerinnen wissen, wie sie den PA-Extrakurs in Basel beurteilen. Ihre Antworten zeigen, dass sich die Schülerinnen sehr gut vorbereitet fühlen für ihren Einsatz als PA SSO. Sowohl die Organisation wie auch der Inhalt des Kurses erhielten gute Noten. Dies zeigen auch die Rückmeldungen, die wir nach dem Kurs zugeschickt erhielten (Originalzitate): «Merci pour ce moment de vie tellement riche d’émotions !» – «Je vous remercie pour tout ce que vous avez mis en place pour qu’on puisse finir notre formation AP.» – «Je tenais à remercier l’équipe des cours AP extra pour leur investissements et accompagnement. Et de ce que ces cours m’ont apporté de plus.»

 

Wie weiter mit der PA-Ausbildung in der Romandie?

Aktuell gibt es drei vielversprechende Initiativen von PA-Weiterbildungsschulen in der Romandie. Die zuständige Kommission Weiterbildung Dentalassistentin (KWDA) unterstützt die Initiantinnen und Initianten aktuell bei der Akkreditierung der geplanten PA-Schulen. Wir wollen sicherstellen, dass die Schulen den definierten Qualitätsstandards genügen. Dazu stützen wir uns auf das PA-Reglement. Wir prüfen das Unterrichtsmaterial, die Infrastruktur und den Lehr- und Prüfungsplan sowie die Qualifikationen des eingesetzten Personals. Dieser Prozess nimmt einige Zeit in Anspruch. Eine neue PA-Schule in der Romandie ist jedoch in naher Zukunft zu erwarten.