Zahnmedizin aktuell

Zu viel Zucker

Zu viel Zucker schadet dem Körper, das ist unbestritten. Im Gehirn wirkt er in mancher Hinsicht gleich wie eine Droge. Dennoch zählt Zucker nicht zu den Suchtmitteln.

Diabetes Mellitus Typ II, Bluthochdruck, Übergewicht und Fettleibigkeit, Schlaganfall und Karies: Die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von zu viel Zucker auf dem Speiseplan sind durch zahlreiche Studien belegt. Auch gibt es Hinweise, dass zu viel Zucker das Gehirn schädigen und Depressionen fördern kann. US-Amerikanische Ernährungswissenschaftler fragten 2014 Teilnehmer einer Kohortenstudie über Ernährung und Gesundheit, ob sie an depressiven Erkrankungen leiden. Es zeigte sich, dass ein höherer Konsum von Softdrinks oder Fruchtgetränken bei Beginn der Kohortenstudie mit einem etwas höheren Risiko für Depressionen in den Folgejahren verbunden ist. (1)

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Forscher aus Australien, die die Auswirkung einer Ernährungsumstellung auf Menschen mit Depressionssymptomen untersuchten. Die Psychologen rieten einer Gruppe von jungen Erwachsenen, mehr Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und Eiweiss und weniger raffinierte Kohlenhydrate, Zucker, fettes oder verarbeitetes Fleisch und Softdrinks zu konsumieren. Nach drei Wochen stellten diese Studienteilnehmer signifikant schwächere Depressionssymptome fest als die Kontrollgruppe, die ihre Ernährung nicht verändert hatten. Die Unterschiede blieben auch bei der telefonischen Nachuntersuchung drei Monate später sichtbar. (2)

Schweizer essen zu viel Zucker

Zuckerhaltige Nahrungsmittel und Getränke sind günstig, leicht erhältlich, und sie werden stark beworben. Das macht es für die meisten Menschen schwierig, einen gesunden Umgang mit Zucker zu entwickeln.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, den Konsum von Zucker auf maximal 10 Prozent der Energiezufuhr einzuschränken; das sind etwa 50 Gramm für eine durchschnittliche erwachsene Person. Wie viel Zucker die Schweizerinnen und Schweizer tatsächlich konsumieren, ist gemäss Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) nicht genau bekannt. Aufgrund von Angaben des Schweizer Bauernverbandes schätzt das BLV den Konsum auf ungefähr 110 g pro Person und Tag, also deutlich mehr als die WHO-Empfehlung. (3)

Macht Zucker süchtig?

Dieser hohe Zuckerkonsum schadet nicht nur der allgemeinen Gesundheit und den Zähnen, er ist auch aus einem weiteren Grund bedenklich: Zucker wirkt in mancher Hinsicht ähnlich wie Drogen auf das Gehirn. Der Konsum führt in beiden Fällen zu einer Ausschüttung von Dopamin. Dieser Botenstoff vermittelt ein positives Gefühl und motiviert uns dazu, dieses Erlebnis zu wiederholen. Es gibt jedoch auch einige wichtige Unterschiede zwischen Zucker- und Drogenkonsum, wie eine Literaturübersicht britischer Neurobiologen zeigt. (4)

Ob Zucker typisches Suchtverhalten auslöst, beispielsweise Kontrollverlust oder anhaltender Konsum trotz negativer körperlicher Konsequenzen, wurde in Verhaltensexperimenten mit Ratten untersucht. Der unkontrollierte Konsum (Binge-Eating) von Zuckerlösung liess sich in diesen Experimenten nur dann beobachten, wenn der Zugang zum Zucker begrenzt war. Die Tiere mussten zwischen den Zuckermahlzeiten mehrere Stunden fasten. Daraus folgerten die Forscher, dass das Binge-Eating nicht als Suchtverhalten zu interpretieren ist, sondern vielmehr als Reaktion auf eine vermeintliche Nahrungsmittelknappheit. Der Körper ist darauf programmiert, bei unsicherer Nahrungsversorgung so viele Kalorien wie möglich aufzunehmen. Die Dopaminausschüttung im Gehirn, die die Ratten motiviert, noch mehr Zucker zu essen, scheint dagegen als Reaktion auf den süssen Geschmack zu folgen, nicht auf den Zucker an sich.

Weiter zeigten die Verhaltensexperimente, dass Ratten auf die Zuckerlösung verzichten, wenn sie mit einem Übelkeit verursachenden Stoff versetzt ist. Ratten, die süchtig nach Heroin oder Kokain sind, nehmen die Übelkeit jedoch in Kauf.

Das sind zwei Beispiele aus der Verhaltensforschung, die zeigen, warum die Zuckersucht bisher nicht in die wissenschaftliche Literatur aufgenommen wurde.

Der Reiz des Verbotenen

Zur Zuckersucht bei Menschen gibt es nur wenige Daten. Im DSM-5, dem aktuellen psychiatrischen Manual, das Kriterien für die Diagnostizierung psychischer Störungen aufführt, gilt Zucker nicht als Suchtmittel. Ein zwanghaftes Essverhalten deute nicht zwingend auf eine Sucht hin, sondern es wird den Essstörungen zugeordnet.

Manche Forscher führen das starke Verlangen nach zuckerhaltigen Nahrungsmitteln zumindest teilweise auf die ambivalenten Gefühle zurück, die wir Menschen mit Zucker verbinden: Das «verbotene» Nahrungsmittel erscheint gerade deshalb umso attraktiver. (4)

(1) Guo X, Park Y, Freedman ND, Sinha R, Hollenbeck AR, et al. (2014) Sweetened Beverages, Coffee, and Tea and Depression Risk among Older US Adults. PLOS ONE 9(4): e94715. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0094715

(2) Francis HM, Stevenson RJ, Chambers JR, Gupta D, Newey B, et al.: (2019) A brief diet intervention can reduce symptoms of depression in young adults – A randomised controlled trial. PLOS ONE 14(10): e0222768. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0222768

(3) https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/ernaehrung/produktzusammensetzung/zuckerreduktion.html

(4) Margaret L., Westwater, Paul C. Fletcher, Hisham Ziauddeen: Sugar addiction: the state of the science Eur J Nutr (2016) 55 (Suppl 2):S55–S69. doi: 10.1007/s00394-016-1229-6

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