Zahnmedizin aktuell

Was die Pandemie mit der Psyche macht

Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die Coronapandemie auch die psychische bedroht. Was sind die Gründe dafür, und was muss bei der Entscheidung über zukünftige Massnahmen im Blick behalten werden?

Fachleute bestätigen, dass die Pandemie zu einer Zunahme von psychischen Störungen in der Bevölkerung geführt hat. Und wir müssen davon ausgehen, dass sie auch weiterhin zu einer Zunahme führen wird. Von dieser negativen Entwicklung sind unterschiedliche Bevölkerungsgruppen betroffen. Auch die Gründe für die jeweilige Zunahme sind unterschiedlich, was sich durch die bio-psycho-sozialen Einflussfaktoren auf die Psyche erklären lässt.

Man unterscheidet vom Virus direkt Betroffene, also Patienten mit einer Covid-19-Infektion, asymptomatischen positiv getesteten Personen oder Menschen, die sich in Quarantäne befinden, von indirekt Betroffenen. Darunter fallen Menschen, die beispielsweise unter den einschneidenden Massnahmen leiden, zur Gruppe der vulnerablen Personen gehören, erkrankte oder verstorbene Angehörige haben oder eine pathologische Angst vor einer Infektion entwickeln.

Verunsicherte Kinder und Jugendliche

Auch Kinder und Jugendliche sowie junge Heranwachsende gehören zu den psychisch besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen in der aktuellen Krise. Nun fast ein ganzes Jahr andauernde Unsicherheit, massive Kontakteinschränkungen, Homeschooling, reale und altersphasenentsprechende Sorgen, antizipierte Ängste und unerwartete Belastungen betreffen bei Minderjährigen essenzielle Entwicklungsphasen. Kritische Übergänge sind dabei besonders sensibel (Kindergarten- Schule, Schule-Berufseinstieg). Das Halt gebende Umfeld (Eltern, Grosseltern, Kindergärten und Schulen) ist selbst so stark von der Pandemie betroffen, dass es Belastungen deutlich weniger als gewohnt kompensieren kann. 10 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen waren schon vor der Pandemie psychisch gefährdet und sind nun von diesen Problemen noch stärker betroffen, da ihnen zusätzlich Ressourcen entzogen werden, um mit ihrer Krankheit oder Behinderung umzugehen.

Aber es gibt auch eine bedeutsame Zunahme von Angst, Depressionen und suizidalen Krisen bei Kindern und Jugendlichen. So gehen wir aktuell schweizweit von einer Zunahme der Notfallkonsultationen von 30 bis 50 Prozent aus. Bei der schon vor der Pandemie bestehenden angespannten Versorgungssituation ist das problematisch, müssen doch diese Notfälle zu einem grossen Teil von den institutionellen Einrichtungen aufgefangen werden, weil die niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater ausgebucht sind.

Nicht zuletzt entstehen psychische Störungen auch als Stressreaktion auf die übermässige Belastung bei der Betreuung und Behandlung von Covid-19-Patienten. Das medizinische Personal, beispielsweise in Akutspitälern oder in Pflegeheimen, kann unter der zunehmenden und chronisch werdenden Belastung psychisch dekompensieren.

Verschiedene Studienergebnisse weisen auf eine erhöhte Inzidenz von psychischen Störungen in all diesen Gruppen hin, wobei der zeitliche Verlauf unterschiedlich ist und definitive Zahlen dazu häufig noch nicht verfügbar sind.

Was die Politik unternehmen kann

Von der Politik erwarten die Fachleute in der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) und in der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (SGKJPP), dass die Zentralität der Psyche und auch ihrer eventuellen Störungen im Zusammenhang mit der Pandemie anerkannt und daraus Handlungen abgeleitet werden. Eine gute psychische Verfassung einzelner Menschen und der Bevölkerung in ihrer Gesamtheit spielt in Zusammenhang mit der Pandemie eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sie reicht von der Fähigkeit zum Einhalten der Verhaltensregeln über die Behandlungscompliance bis zur Förderung der Genesung, wie sie von anderen somatischen Erkrankungen bekannt ist. Die Psychiater und Psychotherapeuten fordern, dass die Bedeutung der Prävention und der Früherkennung von psychischen Störungen in Zusammenhang mit der Pandemie anerkannt wird. Die Prävention soll intensiviert werden, sei es durch Informationskampagnen oder niederschwelligen Zugang zu Informationen und Behandlungsangeboten. Es braucht spezifische diagnostische und therapeutische ambulante und stationäre Angebote mit genügend qualifiziertem Personal für einzelne Risikogruppen (von Covid-19 betroffenen Personen, vulnerable Personen, bereits psychisch erkrankte Menschen, sozial benachteiligte Menschen usw.). Dazu gehört häufig ein erhöhter Personalbedarf, damit die reguläre psychiatrische Versorgung nicht unter den Zusatzanforderungen leidet. Aktuell kommt es bereits zu Personalausfällen (Quarantänen, Isolation oder Erschöpfung), auf die mit einer hohen Flexibilität geantwortet werden muss, damit die Versorgung kontinuierlich aufrechterhalten werden kann.

Wichtig ist auch, dass bereits psychisch kranke Patienten, trotz der erhöhten Inzidenz von psychischen Störungen in der Bevölkerung weiterhin optimal behandelt werden können. Fernmündliche Behandlungen per Videoübertragung oder Telefongespräche sind den gängigen Präsenzkonsultationen gleichzustellen (die aktuelle Ausnahmeregelung läuft am 30. April aus), sodass unter anderem wegen Covid-19 isolierte, sich in Quarantäne befindende, vulnerable oder von Angststörungen betroffene Patienten adäquat psychiatrisch und psychotherapeutisch betreut werden können. Für die betagten Menschen wäre es wichtig, in den Einrichtungen (unterstützt von der Politik) so rasch wie möglich Schnelltests flächendeckend einzuführen, sodass Therapeuten oder Verwandte zu ihnen Kontakt halten können. Schliesslich ist es wünschenswert, dass die Politik die Finanzierung von personalintensiven, vorübergehenden Massnahmen, wie 1:1-Betreuung bei suizidalen Kindern und Jugendlichen, unterstützt.

Angebote für das Gesundheitspersonal

Den psychischen Problemen beim Gesundheitspersonal, das direkt oder indirekt durch die Pandemie belastet ist, ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Denn dessen Probleme werden durch den aktuell geforderten grossen Arbeitseinsatz häufig verzögert erkannt und behandelt.

Es ist wichtig, dass das Gesundheitspersonal auf die Gefahr von dysfunktionalen psychischen Reaktionsmustern auf Stress- und Trauersituationen hingewiesen wird und dass niederschwellige Angebote für einzelne Mitarbeitende, aber auch für besonders belastete Teams geschaffen werden, um sie in diesen potenziell pathogenen Situationen zu begleiten und zu unterstützen und ihnen, wenn nötig, eine Therapie anzubieten.

Autoren:

Dr. med. Fulvia Rota, Präsidentin SGPP und Co-Präsidentin FMPP. Führt eine Gemeinschaftspraxis für Psychiatrie und Psychotherapie in Zürich.

Dr. med. Rafael Traber, Vizepräsident SGPP und Vorstandsmitglied FMPP. Ärztlicher Direktor der kantonalen Psychiatrie des Kantons Tessin.

Prof. Dr. med. Alain di Gallo, Co-Präsident SGKJPP und Co-Präsident FMPP. Direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche der Universitären Psychiatrischen Kliniken UPK in Basel.

Prof. Dr. med. Susanne Walitza, Co-Präsidentin der Ständigen Kommission für Kommunikation FMPP. Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik PUK in Zürich.

Dieser Artikel ist ein Nachdruck aus Politik+ Patient 1/21, der gesundheitspolitischen Zeitschrift des Verbands deutschschweizerischer Ärztegesellschaften (Vedag). Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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